Zettelwerk

WriteTrack

[Geschrieben im Rahmen des WritingMonth im November 2024] [759 Wörter, durchschnittliche Lesedauer von 5.30 Minuten]

Statt eines Vorworts

Im Dezember 2022 wurde ich von National Novel Writing Month (NaNoWriMo) aufgefordert, ein Online-Feedback über meine Erfahrungen mit der Plattform abzugeben. Da wäre mir fast der Kragen geplatzt. Ich wollte in Ruhe gelassen werden. Zu viel Kakophonie in der Schreib- und Lesestube! Natürlich: Geld muss gesammelt werden, und das nicht zu knapp. Über 1,4 Mio. USD wurden 2022 als Spendenziel angegeben. Derartige Vorhaben brauchen natürlich Reichweite und unentwegte Aktivierung der User.

Ich hatte mich auf der Plattform registriert, um meine Schreibroutine weiterzuentwickeln. Das war dort versprochen worden. Das Zählen der täglich geschriebenen Wörter, die Verfolgung eines Schreibzieles pro Monat, der Vergleich und die Kommunikation mit anderen Autor*innen sollten mir dabei helfen. Dies hat dann auch geklappt. Zusätzlich habe ich umfangreiches Textmaterial produziert. Der Wettbewerb war solidarisch, die Selbstvergewisserung über den Schreibfortschritt erhellend. Allein, mit der Vorgabe von 50.000 Wörtern pro Monat tatsächlich etwas Brauchbares schreiben zu können, ist natürlich eine naive Vorstellung. Doch darauf hatte ich ohnehin nicht gesetzt.

Schon damals reifte in mir die Überzeugung, dass ich meinen Schreibfortschritt nicht mehr lange von dieser Plattform begleiten lassen wollte, zu grell, zu bunt, zu marktschreierisch und geldbesessen kam sie daher. Lärm tut wahrlich nicht gut, man braucht Ruhe, um als Fiktionaut in Schreibwelten eintauchen zu können. Trotzdem habe ich aus Gewohnheit auch im darauffolgenden Jahr NaNoWriMo genutzt, um an einem anderen Projekt zu arbeiten. In zwei Jahren kamen immerhin rund 75.000 Wörter zustande. Zudem wurde ich auch unter Jahr produktiver und schreib freudiger. Die Methode wirkt. Ich möchte diese Novemberübung nicht mehr missen.

Trotzdem: Muss man sich einer lauten Plattform mit ihren unentwegt auftauchenden Schreibkursangeboten, Feedback- und Werbeschleifen ausliefern? Konnte man sich denn nicht auch in ein kleines dezentrales und stilles Forum zurückziehen und dasselbe tun: Seinem Schreibfortschritt gemeinsam mit Anderen huldigen? Vielleicht würde ja auch der Eintrag in ein Excel Sheet oder in den Kalender reichen.

Dann kam es zu jenen Entwicklungen, die mich dazu veranlassten, mich endgültig von der Plattform zu trennen: dem Missbrauch von Jugendlichen durch den Moderator eines Chatrooms, die zögerliche und verlogene Aufklärung dieses Vorfalls durch die Verantwortlichen und zu guter Letzt die Diskriminierung von Behinderten bei der Bewerbung Künstlicher Intelligenz als Schreibassistenten. Ich zog den Stecker und löschte wie viele Andere meinen Account bei NaNoWriMo. Im Jahr 2024 sollte es anders werden.

Wie andere Kritiker*innen suchte auch ich nach Alternativen. Diese gab es nun vermehrt. Etwa das Projekt von David S. Gale mit dem Namen Write Track Cloud. Ein sauber entwickelter Online Word-Count, der ohne jede Werbung auskommt. 2023 probierte ich die Anwendung eine Zeitlang aus, konnte mich aber wegen der doch recht umständlichen Features nie mit ihr anfreunden.

Derzeit gibt es eine Vielzahl anderer Plattformen, die oft noch in den Kinderschuhen stecken und um die Gunst der ehemaligen NaNoWriMo – Nutzer*innen buhlen. Eine genaue Analyse der Vor- und Nachteile dieser Anwendungen würde lohnen. Ich merke mir jedenfalls folgende Projekte vor: TrackBear, 4TheWords, MyWriteClub, Pacemaker, NoQu Official, Noivir und ShutUpandWrite.

Nach langer Überlegung habe ich mich allerdings für eine Plattform entschieden, auf die ich durch meine Mastodon – Präsenz aufmerksam wurde. Sie heißt WritingMonth und wurde von Benjamin Hollon in aller Eile kurz vor dem Beginn des NaNoWriMo 2024 aufgesetzt. Die Nachfrage war überraschend groß. Für die Teilnahme im November 2024 haben sich 424 AutorInnen registriert. Das Gesamtziel liegt bei beeindruckenden 15 Millionen Wörtern. Auch für Dezember gibt es schon Einträge.

Die kleine, fast karge Plattform ist zwar noch sehr weit von den selbstgewählten Zielen entfernt, hat mich aber sofort angesprochen. Mit dem Softwareentwickler kann man sich ungezwungen austauschen, Werbung fehlt völlig, die aufgeräumte Struktur und die Freiheit sich selbst Ziele zu setzen waren für mich ausschlaggebend. Kostenfrei ist die Plattform außerdem. Einziger Wermutstropfen: man hat noch keine Einsicht in die Fortschritte seiner Buddys und kann mit ihnen auf der Plattform noch nicht kommunizieren. Ich weiche dafür auf Mastodon aus.

Und so befinde ich mich bereits mitten in einem neuen Writing Month mit einer sympathisch klaren und dezentralen Plattform. Ich werde sieben Erzählungen schreiben, jede einzelne wird in sieben Kapitel gegliedert. Wir folgen alten Menschen, ihren Wundern und den sieben Sinnen. Wer die unlektorierten Texte mitlesen will, kann dies gerne bis Jahresende auf meinem Zettelwerk tun.

Möge der Writing Month gedeihen und meine neue Heimat werden in diesem Irrenhaus der freiwilligen Wörterzähler.


#writingmonth24 #alteleut #WriteTrack #Nanowrimo

Erst kürzlich wurde ich von nanowrimo aufgefordert, ein Online-Feedback über meine Schreiberfahrungen in der November-Challenge abzugeben. Dabei ist mir unangenehm aufgefallen, welch riesiges TamTam von den Betreiber:innen um NaNoWriMo veranstaltet wird. Um sich selbst dreht und wendet sich die Propaganda eines typisch us-amerikanischen Beteiligungskarussells, das sich als Selbstermächtigung von Autor:innen feiert. Und natürlich: Geld muss gesammelt werden, nicht zu knapp. Über 1.4 Mio. USD wurde als Spendenziel angegeben und bis dato über 1,2 Mio. erreicht. Vor allem die Firmensponsoren wollen Reichweite und Beteiligung. Das benötigt den ständigen Trommelwirbel, die Kakophonie unentwegten Lärms rund um den Mammon. Eine ungesunde Torte mit gewaltigen Mengen an Zuckerguss ist NaNoWriMo geworden, welche man sich zum Geburtstag schenkt. Igitt! Nicht mein Stil.

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