Zettelwerk

BuchWien

Durchhalten: ja, aber nicht mehr auf hohem Niveau, eher ein Arbeiten unter Kurzatmigkeit. Es stimmt, meine Leistungskurve auf NaNoWriMo hat sich anfangs weit über dem Meridian von Zeit und Wörteranzahl eingependelt, um sich in den letzten Tagen wieder auf den Durchschnitt zuzubewegen. 4200 Wörter werde ich noch schreiben müssen, in den letzten fünf Tagen des November, was heisst, dass ich mir nicht mehr viele “freie” Tage leisten kann.

Mehrere Faktoren kommen bei meinem kleinen “Erschöpfungszustand” -No drama please! – zusammen:

(1) Eine Reise nach Wien, die Teilnahme an der BuchWien, Arztbesuche und die vielen anderen, kleinen und grossen Ablenkungen, die einem die Zeit und die Konzentration fürs Schreiben zu rauben drohen;

(2) Das ständige Schreiben bewirkt, dass ich mir die Musse für die Korrektur, für das Schmökern in alten Manuskriptstellen und für die Recherche interessanter Themen einfach fehlt. Die Storyline treibt mich voran, mit der grossen Gefahr, den Überblick, den stringenten Faden, ja selbst die von mir kreierten Begriffe wie Namen nicht mehr parat zu haben. Da macht sich das Gefühl breit, in den “leeren Raum der Fantasie” hineinzuschreiben, ohne Mass und ohne Ziel.

(3) Einige meiner “Schreibbuddies” haben zu unmässigen Wortsprints von durchschnittlich 4000 Wörtern angesetzt, Sprints, die mich eher belasten, als dass sie meine Schreibwilligkeit antreiben.

(4) Ich lese wieder Bücher, den Grossinquisitor etwa (ein kleiner aber berühmter Auszug aus Dostojewskis Roman “Die Brüder Karamasov”), bzw. Stephen Hawkings “Illustrierte Kurze Geschichte der Zeit”. Beide Lektüren bringen stetig neue Ideen hervor, die mich entweder dazu drängen, mein Schreibprojekt zu ergänzen oder korrigieren zu wollen, oder in eine völlig andere Richtungen zerren.

Ich könnte noch mehr Argumente anfügen, die mir und meinen Leser:innen beweisen sollen, dass es jetzt doch nur unter Schwierigkeiten vorangeht; die meine Befürchtungen untermauern, das Plansoll eben nicht erreichen zu können; die mich wütend werden lassen, weil ich an einem möglicherweise stumpfsinnigen und im Grunde antipoetischen Experiment teilgenommen habe.

Aber andrerseits: was steht am Ende dieses Versuches? Auf jeden Fall ein umfangreiches, aber auch interessantes Textkonvolut, das qualitativ gut oder schlecht sein kann, aber immerhin Material genug bereitstellt, um sich daran abzuarbeiten. Ich weiss, ich wiederhole mich, habe schon an anderer Stelle darüber geschrieben!

Ich erscheine wohl wie ein Tänzer, der seinen Tanz beschwört und ihm dadurch magische Geltung zu schaffen versucht. Die Wörter, die beim Vorwärtsschreiben oft so schnell aus mir hervorbrechen, weil sie sich den fliessenden Gedanken, der galoppierenden Fantasie anpassen wollen, aber so schnell nicht niedergeschrieben werden können. Tipp- und Rechtschreibfehler, unschöne Wiederholungen, stilistische Krämpfe – über alle wird fleissig hinweg geschrieben beim Tanz um den Heiligen Gral der Geschichten. Wörter, die sich meist mit aller Gewalt ihren Weg bahnen, über alle Widerstände hinweg. Wenn ich diese Erfahrung mache, fühlt sich alles nicht so mühsam an, sondern eher wie eine mutige Pflege meiner Phantastereien. Und so schwanke ich, einer bipolaren Anmutung folgend, zwischen Allmacht und Ohnmacht und höre letzten Endes doch nicht auf zu schreiben.

#Schreibarbeit #nanowrimo #buchwien