055 MoBuSch statt NaNoWriMo, Tag 1
Ich nehme am nonawrimo22 teil und schreibe neben meinem Romanprojekt an einem begleitenden Tagebuch. Hier mein tägliches Resumee:
Schon eigenartig, wie sehr wir unsere Leben an die Digitalen Maschinen überantwortet haben. Das ist ein Gedanke, der mich heute in einer Schreibpause sehr beschäftigt hat.
Nicht, dass wir nicht wüssten, dass unsere Daten für unseriöse Zwecke bereitliegen und nur auf die digitalen Macher warten; nur bewusst ist es uns oft nicht und verdrängen tun es wir das ausserdem. Da lockt ein buntes Forum, ein hehrer Wettbewerb des Intellekts, das gratis Buchexemplar eines Verlags. Und wieder in so einem Hamsterrad gelandet, wo viel zu viele Daten, Verhaltensmuster und Vorlieben preisgegeben werden, ohne zu wissen, wo all diese Daten dereinst landen. Ich bin im Falle nanowrio zwar nicht alarmiert, wohl aber skeptisch ob meiner Leichtsinnigkeit, mich zu registrieren, zu beteiligen, ein wenig preiszugeben. Insbesondere für eine Website, die ökonomisiert betrieben wird.
Eigentlicher Anlass für diese trüben Gedanken ist, dass in den Mastodon Postings von vielen Personen sehr oft die (Nicht-) Benutzung der nanowrino – Website besonders betont wird. Man würde das eigene Schreibtempo bevorzugen, nehme aber den November sehr gerne zum Anlass, sich wieder verstärkt dem Schreiben hinzugeben. Eine gute Idee sei es , der man sich nicht ganz entziehen kann, aber muss man deswegen in den USA anlanden? Kann jemand wenigstens das “National” aus dem Namen nennen, wenn es sich schon um einen internationalen Wettbewerb handelt! Registrieren bzw. beteiligen will man sich auf alle Fälle nicht. Worte zählen in der Öffentlichkeit sei doof, exhibitionistisches Verhalten liege einem eben nicht. Ausserdem, man wisse um seine Schwächen. Gut gebrüllt und konsequent gehandelt!
Hinter diesen Worten schimmert nicht nur eine gewisse Skepsis angesichts der. (zugegebenen) Zwanghaftigkeit der Gemeinschaftsaktivität durch. Der Ruf nach Durchhalten und eine gewisse Askese entspricht nicht dem Zeitgeist, der die Individualität in Freiheit feiert. Aber auch um Widerstand scheint es sich zu handeln, will man sich doch nicht wieder online registrieren (und dem Algorithmus unterwerfen). Vielleicht liegt das ja auch an der Mastodon-Kultur, die zentralen und ökonomisierten Plattformen mit erhöhter und berechtigter Skepsis begegnet. Vielleicht geht es ja unter Twitteranten viel unbesorgter zu. Vielleicht spinnt man auch nur.
Derart vorsichtigem Verhalten ist natürlich Einiges abzugewinnen. Es wird von den Betreiber:innen der Website zudem auch mit Kanonen auf schriftstellernden Spatzen geschossen. Ein gross aufgezogenes Unternehmen finden wir vor, das aus den Ideen einer NPO entstanden ist und nun, ins Erwachsenenalter gekommen, dem Merchandise huldigt. Und auch ist das Sponsoring – Getöse, das auf der Site betrieben wird, für meine europäisch sozialisierten Ohren viel zu laut: 810.000 USD sind gesammelt worden und 1,4 Millionen USD sind das Ziel. Wofür bitte, braucht man so viel Geld, frage ich mich naiv.
Kann man denn nicht auch, anstatt seine Daten abzuliefern und von Kursangeboten überhäuft zu werden, sich in ein kleines dezentrales Forum zurückziehen, dasselbe tun (nämlich seinem Schreibfortschritt gemeinsam huldigen) und dafür Badges sammeln?
Auf jeden Fall lass ich mir trotz meiner Zweifel den Spass noch lange nicht verderben. Es ist das erste Mal, dass ich mich an so einer Chose beteiligen darf, vier nette Leidensgefährt:innen an meiner Seite. Was will man also mehr! Problematisieren ist auch keine Lösung.
Aber anregen würde ich schon wollen, es in kleinerem Kreise zu probieren. Mit originellem Namen, klugem Konzept, vergnüglich und sehr dezentral: “Monat der bunten Schreiberlinge (MOBUSCH) oder “Masochisten für einen Monat” (MAFUMO). Dass man die Idee gestohlen hat und neu verpackt, find ich gar nicht unzulässig. Das ist doch heutzutage der Stil. Ich würde mich auch dem Sponsoring nicht verwehren: und natürlich niemals motzen ob der vielen Unzulänglichkeiten.