058 Gehen, Schreiben – NoNaWriMo, Tag 4

Ich nehme am nonawrimo22 teil und schreibe neben meinem Romanprojekt an einem begleitenden Tagebuch. Hier mein tägliches Resumee:

Ich hab es heute schon auf Mastodon erwähnt: Ich war mit dem Hund draussen, als eingefleischter Dogsitter, und habe wie so oft mit meinem Gefährten zu einem zweistündigen Marsch ausgeholt. Es ist ein kleines Tier, voller Energie und Lust am Laufen. Wir passen gut zusammen, beide lieben die Bewegung. Nun, “Laufen” heisst in Österreich “Gehen” und deshalb läuft der Hund und ich tu das Meinige: Schnell gehen und dabei denken.

Das ist nichts Neues, dass der Gang die Gedanken befördert: darüber haben schon viele Schriftsteller viel Kluges geschrieben. Ich jedoch erwähne es an dieser Stelle nur, weil ja die Zeit, die ich in Wald und auf der Wiese verbringe, in einem Wettbewerbsmonat wie diesem effizient verbracht werden will. Die Teilnahme an nanowrimo erfordert Konzentration und ein gewisses Arbeitsverhalten: und das wohl jeden Tag. Nichts also mag schlimmer erscheinen, als zu Hause vor dem Pensum zu sitzen und völlig entgeistert den Bildschirm anzustarren. Nach dem Motto: Was soll ich jetzt schreiben?” Ich will das nicht grossartig als Schreibblockade bezeichnen, denn das ist es wohl nicht. Bleiben wir terminologisch bescheiden: es fällt einem einfach nichts mehr ein!

Also gehe ich und gehe, die Leine in der rechten Hand, lasse mich fast ziehen und sehe dem Arsch des Hundes hinterher. Und dabei eröffnen sich mir Welten, die mich in Erstaunen versetzen. Der geheimnisvoll leuchtende Exoplanet zieht vorbei, der Mann hinterm Steuer startet die Drohnen, die in somnambuler Regelmässigkeit ein bestimmtes Territorium scannen. Der Kapitän lehnt sich zurück, er muss nicht viel tun angesichts der KI, die den Prozess begleitet. Liebevoll nennt er sie Perseus, auf sie kann sich der Misanthrop verlassen. Deshalb liest er auf seinem Bildschirm die interaktive Geschichte von dem Flug der Christopher Kolumbus im Jahr 2090. Womit der Konnex zur “Parable of the Talents” von Octavia E. Butler wieder hergestellt wäre.

Der Plot, mit dem ich mehrere Erzählstränge verknüpfen kann, fällt mir in den Schoss. Der Hund bellt, er hat einen Spielgefährten vor ihm entdeckt. Gern hätte ich mich weitertreiben lassen in der Geschichte meines Romans, wie mein Antiheld eben Lore Olamino kennenlernt. Doch alles kann man eben nicht haben. Erst einigen Minuten später, als sich de beiden Hunde genügend beschnüffelt haben, setzt die Story wieder ein.

Muss ich mir beim Gehen Notizen machen? Offenbar nicht, denn die Motorik des Körpers unterstützt mein Gedächtis. Befeuert von frischem Sauerstoff und der erhöhten Kreislauftätigkeit tun die Synapsen ihr Bestes, um tragfähige Beziehungen herzustellen. Zuhause am Schreibtisch fällt mir alles, was zuvor assoziiert wurde, ohne Schwierigkeit wieder ein: Wort für Wort, Satz für Satz, Absatz für Absatz. Dem Hund sei Dank!

Vielleicht sollte ich ein Gehseminar auf Mastodon anbieten. Heutzutage bieten ja alle möglichen und unmöglichen Menschen ihre Dienste für die selbstverständlichsten intellektuellen Verrichtungen an. “Durchgecoacht” sind Alle, bis in die letzte Faser ihrer Begehren: erfolgreich zu sein, eine Heldin, gefeiert auf den Buchmessen dieser Welt. Aber vielleicht ist ja das das Problem der Schreibblockade: unbedingt zu wollen, sich anstrengen zu müssen, den Misserfolg und den Erfolg vor Augen zu haben. Dabei sollte man doch einfach nur dem Arsch eines Hundes hinterher wackeln.

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