064 Ereignishorizont – NaNoWriMo22, Tag 13 und 14
Plötzlich habe ich im Denken und Empfinden eine Grenze überschritten: beim Thema Informationsparadoxon. Wie wäre es tatsächlich, nicht mehr auf die Erinnerung vertrauen zu können?
Ja natürlich, ich weiss schon, dass man:frau immer ein bisschen skeptisch sein sollte in bezug darauf, was man erinnert, was man vergisst und was man plötzlich wieder erinnert. Man darf dies nicht eins zu eins in die sgn. Wahrheit einer Maschine übersetzen. Wovor ich aber tatsächlich Angst habe, ist es, wenn die in mir gespeicherten Erinnerungen/Informationen tatsächlich zufällig wären und nichts mehr mit dem zu tun haben, was mir in meinem Leben wichtig war und wichtig ist. Wie wäre es, keine Erinnerung zu haben und damit auch keine Vergangenheit? In einer völligen Anamnese sich zu befinden oder in zufällig generierten Erinnerungen, die nichts mehr mit dem eigenen Leben zu tun haben.
Ein Film auf Netflix über Schwarze Löcher wirft dieses Thema auf. Wenn wir uns also nicht sicher sein können, ob Informationen in dieser Welt verloren gehen (wie die Quantenphysik behauptet), dann können wir uns auch nicht sicher sein, ob unsere Erinnerungen vollständig sind und unsere Vergangenheit valide ist. Unsere ganze Existenz ist damit in Frage gestellt. Die Schwarzen Löcher, die alles verschlucken, was sich über ihren Ereignishorizont gewagt hat, weigern sich möglicherweise hartnäckig, den bis dahin gültigen physikalischen Gesetzen zu entsprechen. Das macht manche Wissenschafter verrückt, und verunsichert Menschen mit wenig Phantasie zutiefst. Uns SciFi-Autor:innen sollte dieser Sachverhalt aber nicht nur zu denken, sondern auch zu schreiben geben. Der Gedanke könnte durchaus bereichernd sein, ihn in eine Geschichte zu kleiden durchaus spannend.
Ein wenig versuche ich das im Romanprojekt Allaine. Bei der Stasis (=dem Tiefschlaf), die ich der Mannschaft eines Raumschiffs “verordnet” habe, weil es den 4.367 Lichtjahre langen Weg von der Erde nach Alpha Centauri zurücklegen muss, werden 140 Lebensjahre im Tiefschlaf verschluckt So lange dauert nämlich der Flug des Raumschiffs zum Zielort. Zwei Fragen tun sich auf: Wie “füllt” man einen Erinnerungshorizont von Menschen, die sich auf eine derartige Reise begeben haben? Man kann diese doch nicht ohne Erinnerung lassen, nach so vielen Jahren der Leere! Und was passiert in der Stase mit dem Erinnerungsvermögen, welche Störungen erfährt es durch eine lange Ruhezeit: ja welche Störungen erfährt der gesamte Körper, die Psyche, das soziale Verhalten? Kann denn Erinnerung sich am Leben erhalten, ohne ständig genährt und bereichert zu werden? Welchen Traum darf man dem Schlafenden zutrauen?
Diese Fragen interessieren mich sehr. In meinem Roman stelle ich auch die Fragen: Was bringt man diesen Menschen bei, die als Pioniere eine eigene “Heldengeschichte” aufweisen müssen, schon im Interesse des Mythos der Errichtung einer neuen Zivilisation ? Was lernen sie an ideologischen Versatzstücken angesichts jener Vergangenheit, die sie nicht bewusst erinnern können und die, künstlich implementiert, nun zu ihrer Erinnerung wird? Wer schreibt den Heldenmythos eines im Weltraum dahintreibenden Schiffes? Denn es braucht ihn unbedingt, angesichts der Leere eines stummen Nichts, in dem man dahintreibt und auch angesichts der Leere eines noch nie von Menschen besiedelten Planeten.
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