039 Beziehungsstatus: gestört. Eine vorgetäuschte Ausstellung.
Zur Ausstellung “Beziehungsstatus: Offen. Kunst und Literatur am Bodensee”. Zeppelin-Museum, Friedrichshafen.
Eine eigenartige Ausstellung! Ich hatte viel mehr erwartet, etwa einen nachdrücklichen Eindruck in das Geistesleben am Bodensee. Nicht nur das bleibt die Ausstellung schuldig. Tatsächlich frage ich, irritiert ob der Beschränktheit des Gesehenen, eine Museumsaufseherin, ob es im zweiten Stock des Museums eine Fortsetzung des gerade Begonnenen gäbe? Sie verneint verwundert. Nun ist es aber so, dass die Ankündigung der Ausstellung eine komplette Ausstellung versprochen hatte, mit Themen, die nun nicht einmal als Erwähnung auftauchen.
Tatsächlich ist dies eines der offensichtlichen Charakteristika der Ausstellung: das Fehlen grossspurig angekündigter Themen. Diese eigenartige Unvollständigkeit wirkt geradezu strukturbildend. Manches ist breit angelegt, etwa die (kaum begründete) Parallelisierung des Wirkens von Annette Droste-Hülshoff und der Heiligenmalerin Marie Ellenrieder. Anderes verkümmert hingegen und wird nicht einmal angerissen, etwa die Beiträge Walsers, Hesses oder Jüngers zur sgn. “Bodenseeliteratur”. Alles wirkt so, als hätte man auszustellen begonnen und plötzlich die Lust an der Umsetzung des Konzepts verloren. Es wirkt wie auf dem Gelände einer Bauruine: eine blosse Andeutung, was hätte werden können. Dann, in einer protzig aufbereiteten Ecke des Saales das gross aufgeblasene, wandhohe Schaubild der Beziehungen von KünstlerInnen über den Bodensee hinweg. Ein Spinnennetz des Austausches, von dessen Themen wir gerne hier erfahren hätten. Auch das bleibt ungesagt und erscheint wie eine Gedankenskizze von etwas, was man später ausführen will.
Auch die Ankündigung, vor Ort in Büchern stöbern und lesen zu können, ist ein leeres Versprechen geblieben. Kaum gibt es ausreichend Licht zur mühelosen Lektüre, denn der Raum ist in ein eigenartiges Dämmerlicht gehüllt. Wohnzimmeratmosphäre wurde wohl angestrebt. Viele der aufgestellten Leselampen sind Attrappen. Das sieht nett aus, man sieht aber nichts oder muss sich durch an den Fenstern zum See herein flutendes Licht blenden lassen. Indes tratschen AufseherInnen inmitten des Raumes ungehemmt über Alltagskram. Ein kühler Durchzug beherrscht den Raum, denn gelüftet muss wohl werden. An Lesen und Nachdenken ist angesichts dieser Hindernisse nicht zu denken.
Wie naiv von mir; ich habe vor einigen Monaten, als ich von der Ausstellung hörte, begonnen, Bodensee relevante Literatur gelesen. Ich wollte mich vorbereiten, die Ausstellung besser verstehen und geniessen. Jetzt wünsche ich mich in die eigenen vier Wände zurück, wo die Kultur zu Hause ist und nicht, wie in dieseR Ausstellung nur Anlass für Verärgerung geboten wird.
Eine Vermutung sei hier ausgesprochen: Vielleicht rufen deshalb die Ausstellungsmacher so sehr nach partizipativer Kunstvermittlung, weil sie selbst kaum etwas zu bieten haben? Die Einladung an das Publikum etwa, sich zum Bodensee Thema Bodensee künstlerisch zu äussern, war mehr als kontraproduktiv. Das Ergebnis dieses “Calls” nimmt die Hälfte der Ausstellungsfläche ein und ist von geringer, den Kulturkundigen beleidigender Qualität: ein wenig Tier- und Landschaftsbilder und esoterischer Klimbim. Kuratieren wollten die beiden Kuratorinnen dies auch nicht, der Publikumsgeschmack sollte entscheiden. Das ist vielleicht Demokratie aber nicht Verantwortlichkeit.